Funke, Andrzej Steinbach, 2015


Eröffnung:
Donnerstag | 10. Dezember 2015 | 19:00 Uhr
Mit einer Einführung von Radek Krolczyk
Der Künstler ist anwesend

Ausstellung: 11. – 20. Dezember 2015

Öffnungszeiten:
Donnerstag – Samstag | 17:00 – 20:00 Uhr
Sonntag | 15:00 – 19:00 Uhr

„Funke“ ist eine Soundinstallation des Künstlers Andrzej Steinbach. Mit dieser Arbeit untersucht er Möglichkeiten der Wiederaneignung linker Geschichte und Praxis. Steinbach hat drei Schallplatten produziert, die in den Ausstellungsräumen des Kulturzentrums Spedition abgespielt werden. Er nutzt hier verschiedene Mittel der Materialbearbeitung. Um mit der altbekannten Geschichte und den altbekannten Geschichten wieder etwas anfangen zu können, bedarf es zunächst ihrer Entfremdung. So wird schließlich unter anderen Umständen eine Annäherung wieder möglich.

Auf der ersten Platte erzählt der Sprecher Gian-Philip Andreas ein bekanntes Fernsehereignis der alten Bundesrepublik nach. Am 3. Dezember 1971 wurde im Westdeutschen Rundfunk eine Talkshow unter dem Titel „Pop & Co – die andere Musik zwischen Pop und Kommerz“ ausgestrahlt. Einer der Teilnehmer ist das damalige Mitglied der Protestband „Ton Steine Scherben“, Nikolaus „Nikel“ Pallat. Das Video ist unter anderem wohl wegen seiner typischen 70er Jahre Ästhetik bei YouTube sehr beliebt. Die Diskutanten rauchen Zigaretten und streiten sich voller Leidenschaft. Höhepunkt der Sendung ist eine Szene, in der Pallat aus seiner Jacke eine Axt herausholt und damit auf den Studiotisch einhackt. Die Bilder sind bekannt und geronnen – damit werden sie tot und unbrauchbar. Durch die Nacherzählung der Ereignisse, die man in Steinbachs Installation hört, lösen sich die Erfahrungen des Widerstands von den entleerten Bildern. Die Ereignisse öffnen sich, ihr Inhalt wird wieder verhandelbar.

Auch die zweite Platte arbeitet mit verschiedenen Momenten der Entfremdung. Hier werden die Namen sämtlicher Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) von der afrikanischen Sprecherin Marie Crescence Behengue in alphabetischer Reihenfolge aufgesagt. Wir kennen nur eine Handvoll davon, die „Stars“. Durch das Ablesen aller Namen bekommen wir einen vollständigen Überblick über die gesamte Gruppe – in ihrer rund 30 jährigen Geschichte waren zahlreiche Personen hier organisiert. Es sind weit mehr Namen als die wenigen, die man erinnert oder überhaupt je kennen gelernt hat. Namen wie Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Holger Meins, Christian Klar oder Wolfgang Grams sind zu Emblemen einer linken Geschichte geworden. Daneben sind sie Teil des popkulturellen Bildreservoires. Um die Ideen, Diskussionen und Konflikte, die mit ihnen verbunden sind, wieder zugänglich und verhandelbar zu machen, löst Steinbach die Namen von diesen Bildern. Durch die systematische Aufzählung aller Mitglieder der Gruppe wird ihr konkreter Kampf universell. Die akzentreiche Aussprache der nichtdeutschen Sprecherin irritiert: Manche gut bekannte Namen sind nicht unmittelbar zu erkennen – man muss ihnen nachspüren.

Die dritte Platte mit dem Titel „A springboard to your future“ spiegelt bereits eine andere Welt. Und dies mit ihren eigenen Mitteln; Andrzej Steinbach verwendet hier einen Werbe-Jingle von McKinsey & Company, einer weltweit agierenden Firma für Unternehmensberatung, den er mit Hilfe eines Musikverarbeitungsprogramms nach Zufall auseinander geschnitten und neu zusammengesetzt hat. Der etwas ätherische Track scheint sich dadurch kaum zu verändern. Und doch sind nun Begriffe wie „Art“, „Future“ und „Courage“, die im Sinne der Firmenideologie verwendet werden, plötzlich freigestellt. Im Hintergrund läuft weiterhin die fast unmerklich zerstörte und wieder zusammengesetzte seichte Melodie.

In Kooperation mit der Galerie K‘
Gefördert vom Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen
Mit freundlicher Unterstützung von rem – reihe elektronischer musik der projektgruppe neue musik Bremen

Andrzej Steinbach (*1983) lebt als Künstler in Leipzig und Berlin. Er beendete 2013 sein Studium der Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst Leipzig. Aktuell zeigt das Sprengel Museum Hannover seine Fotoarbeit „Figur1, Figur2“. Er ist diesjähriger Preisträger des Wüstenrot-Preises für Dokumentarfotografie und des Hamburger Berenberg-Preises.

 

 

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